US-Behörde startet Untersuchung gegen Tesla

Nach Kundenbeschwerden über einen Ausfall der zentralen Bedieneinheit samt Touchscreen führt die NHTSA eine Risikobewertung durch. Die Behörde deutet eine mäßige Sicherheitsgefahr an, Kunden sprechen dagegen von einem lebensbedrohlichen Defekt.

Hände am Steuer eines Tesla Model S inkl. Media Control Unit (MCU)
Bild: Tesla Inc.

Nach dem miesen Ergebnis in einem Qualitätsranking US-amerikanischer Marktforscher gibt es eine weitere schlechte Nachricht für die Verantwortlichen bei Tesla. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde (NHTSA) hat eine Voruntersuchung eingeleitet, die dem Verdacht gehäufter Defekte des Touchscreens und der so genannten Media Control Unit (MCU) nachgeht.

Ursache sind einer Mitteilung zufolge elf Kundenbeschwerden von Fahrern eines Model S. Zwar wirke sich ein Ausfall der MCU nicht auf die Steuerung des Fahrzeugs aus, betonte die Behörde. Bremsen, Lenkung oder Geschwindigkeitsregelung bleiben demnach unbeeinflusst. Dennoch könnten sicherheitsrelevante Systeme betroffen sein. Als Beispiel nennt die NHTSA das fehlende Bild der Rückfahrkamera beim Einparken. Zudem seien Komfortfunktionen wie das Infotainment, die Navigation und das Surfen im Internet beeinträchtigt.

Die öffentlich einsehbaren Beschwerden der Tesla-Besitzer klingen dagegen dramatischer. Mehrere Kunden berichten, dass sich durch den Defekt das Fahrzeug nicht mehr aufladen lasse und damit unbenutzbar werde. Einer schildert eine Schleichfahrt im Winter wegen beschlagener Scheiben, ein anderer sieht im erzwungenen Verzicht auf verschiedene Assistenzsysteme, der ebenso plötzlich wie unerwartet auftrete, eine „Lebensgefahr“.

Die nun näher untersuchte MCU mit einem bestimmten Prozessor („Tegra 3“) ist laut NHTSA in ungefähr 159.000 Fahrzeugen des Model S der Modelljahre 2012 bis 2018 und des Modells X der Modelljahre 2016 bis 2018 verbaut. Im Verdacht der Kunden steht der Arbeitsspeicher des Prozessors. Häufige Programmier- und Löschzyklen nutzen ihn angeblich vorzeitig ab und begrenzen damit die Lebensdauer der zentralen Bedieneinheit.

Auch GM und Kia im Visier

„Eine vorläufige Bewertung wurde eröffnet, um den Umfang, die Häufigkeit und die Folgen des mutmaßlichen Mangels für die Sicherheit zu beurteilen“, kündigt die NHTSA zum Abschluss ihrer Mitteilung an. Solche „Preliminary Evaluations“ (PE) sind kein Einzelfall. Es handelt sich um die erste Phase einer mitunter mehrstufigen Untersuchung von möglichen Sicherheitsrisiken an Fahrzeugen.

Nur einige Tage zuvor hatte die Behörde eine solche Analyse auch für auf dem US-Markt beliebte SUV aus dem Hause General Motors (GM) eingeleitet. Chevrolet Equinox und GMC Terrain stehen im Verdacht einer möglichen Fehlfunktion der Lenkkraftunterstützung. Auch für den Kia Sorento liegt laut NHTSA eine auffällige Häufung von Beschwerden vor, hier wegen eines Ausfalls der Frontscheinwerfer. Insgesamt startete die Behörde dieses Jahr bereits zehn PEs.

Nachtrag 20.11.:

Die NHTSA hat am 12. November die Tesla-Untersuchung zu einer „Engineering Analysis“ hochgestuft. Dabei handelt es sich um die höchste und finale Untersuchungsstufe, an deren Ende entweder ein Rückruf oder eine Einstellung des Falls steht.

Nachtrag 15.1.2021:

Die NHTSA hat die Probleme als sicherheitsrelevant eingestuft und Tesla zu einem Rückruf aufgefordert. Bis zum 27.1. muss sich das Unternehmen hierzu erklären.

Nachtrag 3.2.:

Tesla hat nun in den USA einen Rückruf für knapp 135.000 Fahrzeuge aus dem Bauzeitraum 31. Mai 2012 (Model S) bzw. 15. September 2015 (Model X) bis 3. März 2018 eingeleitet. Offizielle Begründung: Das mittlere Display könnte während der Fahrt ausgehen. Einige Systeme des Fahrzeugs wie z.B. das Display der Rückfahrkamera oder die Einstellungen für die Abtau-/Defog-Steuerung für die Windschutzscheibe könnten so nicht richtig funktionieren. Der Aktionscode lautet „SB-21-21-001“. Zu einer Maßnahme in Europa ist noch nichts bekannt. Verschiedene Medien hatten berichtet, dass sich inzwischen auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit dem Problem befasst und den Hersteller zu einer Stellungnahme aufgefordert hat.

Nachtrag 18.2.:

Ein KBA-Sprecher hat der „Augsburger Allgemeinen“ die Durchführung des Rückrufs auch in Deutschland bestätigt. Eine konkrete Stückzahl hierzulande betroffener Model S und X lieferte er allerdings noch nicht. Als Anhaltspunkt nannte er den Fahrzeugbestand zum 1. Januar 2018, der bei ca. 7.400 lag. Addiert man die Neuzulassungen des ersten Quartals 2018 hinzu, kommt man auf ca. 8.000 Einheiten. Weltweit umfasst der Rückruf nach unseren Informationen knapp 221.000 Fahrzeuge.

Nachtrag 2.2.2022:

Die NHTSA hat die Untersuchung der vermeintlichen Scheinwerferprobleme beim Kia Sorento eingestellt. Es sei kein sicherheitsrelevanter Fehler festgestellt worden, teilte die Behörde Ende Januar mit.

Nachtrag 12.9.:

Das KBA hat inzwischen einen Tesla-Rückruf zu dem genannten Fehlerbild veröffentlicht. Allerdings geht es dabei um neuere Fahrzeuge der Baujahre 2021 und 2022 aller Modellreihen, also Model S, X, Y und 3. Er betrifft weltweit über 209.000 Fahrzeuge, davon 14.807 bei uns. Der Aktionscode lautet „SB-22-00-009“. Der oben genannte Aktionscode „SB-21-21-001“ findet sich nach wie vor nicht in der deutschen Behördendatenbank.

Nachtrag 29.9.:

Über 19 Monate nach der Ankündigung (s. Nachtrag vom 18.2.2021) ist der Tesla-Rückruf „SB-21-21-001“ nun endlich vom KBA veröffentlicht worden. Die Verzögerung sei „durch ein Versehen“ entstanden, sagte ein Behördensprecher auf Anfrage. Flensburg warnt hierzulande 7.802 Halter eines Model S und X vor einem „Ausfall des zentralen Displays“. Weltweit geht es um rund 271.000 Fahrzeuge. Eine evtl. verbaute 8-GB-Speicherkarte in den Elektroautos der Modelljahre 2012 bis 2018 (Model X: 2016 bis 2018) ersetzt der Hersteller durch eine 64-GB-Variante.

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1 Kommentar

  1. schnell Beschlagende Scheiben sind absolut Sicherheitsrelevant! Offensichtlich kennt Tesla keine FuSi! sollte eigentlich für eine Zulassung vorhanden sein!

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