Kleine Rückruf-Lehre

Wie ist ein Rückruf definiert? Wie beurteilt die Behörde Sicherheitsgefahren? Und: Warum schlimmstenfalls eine Fahrzeugstilllegung droht!

Zoomaufnahme einer Reihe von amerikanischen Schulbussen.
Bild: Atelier KS / Pixabay, Creative Commons CC0

Eine eindeutige Definition des Begriffs „Rückruf“ gibt es nicht. Für die einen ist ein Rückruf jede vom Hersteller oder Zulieferer veranlasste nachträgliche Fehlerbeseitigung an einem Fahrzeug. Für andere ist der Begriff Rückruf streng auf sicherheitsrelevante Mängel begrenzt. Diese Sichtweise vertreten insbesondere die Autobauer. Juristisch macht diese Abgrenzung durchaus Sinn, denn liegt an einem Fahrzeug ein schwerwiegendes Problem vor, sind die gesetzlichen Vorgaben streng.

Gemäß Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) darf die Sicherheit und Gesundheit von Personen „bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung“ eines Fahrzeugs nicht gefährdet sein. Die in Deutschland zuständige Behörde –das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) – regelt die Details für Autobauer, Zulieferer, Teile- und Zubehörhersteller. Diese sind verpflichtet, das KBA umgehend über Gefahren zu informieren, die von einem Produkt ausgehen können. „Das KBA prüft diese Meldung und führt nach Einholen ausreichender Informationen eine Risikobewertung durch“, heißt es im „Kodex zur Ausführung des Produktsicherheitsgesetzes bei Straßenfahrzeugen“. Die Bewertung würdigt im Wesentlichen zwei Fragen:

  1. Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahr?
  2. Wie schwerwiegend sind die Folgen dieser Gefahr?

So entsteht ein Klassifizierungsschema, das über die weiteren Maßnahmen entscheidet. Es liegt auf der Hand, dass solche Bewertungen nicht immer einmütig mit den Herstellern und Zulieferern des Produkts erfolgen. Das letzte Wort hat aber die Behörde – zumindest auf dem Papier. Kommt das KBA zu dem Ergebnis, dass eine Gefahr vorliegt, hat der Hersteller eigentlich nur die Wahl, einen Rückruf freiwillig durchzuführen oder angeordnet zu bekommen. Da Letzteres einen massiven Imageschaden bedeuten würde, finden so gut alle Rückrufaktionen „freiwillig“ statt.

Fahrzeugstilllegung bei Rückruf-Verweigerung

Hat das KBA zudem festgestellt, dass eine ernste Gefahr von einem Fahrzeug oder Fahrzeugteil ausgeht, fordert die Behörde, dass der Mangel bei allen in Deutschland befindlichen Fahrzeugen abgestellt wird. Hierfür wird mehrfach ein Abgleich mit dem Zentralen Fahrzeugregister (ZFZR) vorgenommen. „Auch wenn vorrangig der Produktverantwortliche für die Erreichung der maximalen Erfüllungsrate verantwortlich ist, erwartet das KBA im Gesamtprozess eine angemessene Mitwirkung der Fahrzeughalter“, so der Kodex. Das heißt im Klartext: Autofahrer, die sich einem überwachten Rückruf verweigern, müssen mit einer Stilllegung ihres Fahrzeugs rechnen. 2014 ordnete das KBA für ca. 34.000 Fahrzeuge eine solche Betriebsuntersagung an.

Die Gefahr der Stilllegung ist fast allen Autofahrern unbekannt (seit der Aufregung um Pflicht-Softwareupdates als Folge von Dieselgate sind es einige mehr). Dieses Horrorszenario droht aber nur bei überwachten Rückrufen. Dies gilt nur für etwa die Hälfte aller in Flensburg registrierten Aktionen (128 von 235 Rückrufen im Jahr 2014). Außerdem räumt das KBA ausreichend Zeit für die Befolgung einer Rückrufaufforderung ein. Anspruch der Behörde ist es, einen überwachten Rückruf innerhalb von 18 Monaten abzuschließen, notfalls mit mehreren „Nachfassaktionen“. Halter werden also vor einem Fahrverbot mehrfach gewarnt!

Nachtrag 28.6.2020:

Inzwischen ist sowohl die Anzahl der Zwangsstilllegungen als auch der Anteil überwachter Rückrufe stark angestiegen.

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