Gefährliche Airbags: BMW und Audi rufen Youngtimer zurück

Wegen neuen Problemen an alten Airbags, geht die Rückrufserie von Takata-Produkten weiter. Neben deutschen Modellen sind laut Behördenaussage auch Honda, Toyota und Mitsubishi betroffen.

Ein blauer BMW 3er (E46 Coupé) fährt auf einer Landstraße am Waldrand.
Bild: BMW AG

Die Probleme mit mangelhaften Gasgeneratoren des japanischen Airbag-Zulieferers Takata scheinen für die Autobauer zur unendlichen Leidensgeschichte zu werden. In Australien und den USA sind deswegen nun weitere Rückrufe gestartet. BMW als eines der betroffenen Unternehmen hat heute sogar angekündigt, seine Maßnahme weltweit durchzuführen. Es geht um 3er-Modelle (Baureihe E46) aus dem Produktionszeitraum 21. November 1997 bis 30. Juni 2000. „Aufgrund des hohen Alters der Fahrzeuge gehen wir davon aus, dass von den theoretisch betroffenen rund 757.145 Fahrzeugen noch etwa 20 Prozent in Gebrauch sind“, sagte ein Konzernsprecher auf Anfrage von „Kfz-Rueckrufe.de“. In Deutschland wären das bei ursprünglich 211.000 Einheiten also um die 42.000.

Involviert sind Modelle, bei denen ein anderer Typus von Gasgenerator verbaut ist als jener, der bislang Probleme bereitete. Galt früher ausschließlich Ammoniumnitrat als Treibmittel zum Öffnen des Luftkissens als problematisch, geht es bei der neuen Aktion um so genannte „Non-Azide“ Inflatoren auf der Fahrerseite (NADI). Wie aus einem Dokument der US-Verkehrssicherheitsbehörde (NHTSA) hervorgeht, können diese Treibmittel bei hohem Feuchtigkeitsgehalt zu einem Airbag mit verringerter Schutzwirkung führen, weil das Kissen bei einem Unfall nicht ausreichend mit Luft gefüllt wird. Aber auch das bekannte Problem umherfliegender Metallsplitter beim Auslösen des Airbags sei möglich, wenn feuchtes Treibmittel wieder trocknet. Eine aggressive Verbrennung führe dann zu einem erhöhten Innendruck und im schlimmsten Fall zu einem Bruch des Bauteils.

In Australien sind BMW ein Todesfall und ein Verletzter im Zusammenhang mit dem Airbagtypus bekannt. Zudem konnte laut Herstellerangaben die Verletzung eines zypriotischen BMW-Fahrers aus dem Jahr 2017 nachträglich mit dem Problem in Verbindung gebracht werden. Erstmals ist damit im Zusammenhang mit dem Takata-Debakel auch von einem Vorfall in Europa die Rede.

Kaufangebote für knapp 17.000 Fahrzeuge

In Australien schleppt BMW seit November etwa 12.700 Fahrzeuge aufgrund des Risikos gleich selbst in die Vertragswerkstatt. Kunden sollen dort ihr Auto nicht mehr nutzen. Sie erhalten vom Hersteller sogar ein Kaufangebot. Alternativ stellt BMW bis zur Teileverfügbarkeit Ersatzfahrzeuge zur Verfügung. Audi will bis zu 4.000 australische Exemplare der Baureihen A4 (Modellcode: B5), A6 (C5), A8 (D2), Cabriolet (basierend auf Typ 89) und TT (8N) zurückkaufen. Auf Basis der Untersuchungen der dortigen Fahrzeuge wollen die Ingolstädter nach unseren Informationen über weitere Maßnahmen entscheiden. Die deutsche Pressestelle gibt keine Auskünfte mehr zu Rückrufaktionen.

Laut NHTSA wurden zwischen Mai 1995 und August 1999 insgesamt knapp 4,5 Millionen NADI-Airbags für den Weltmarkt produziert. Aufgrund des Alters dürfte davon aber nur noch ein kleiner Teil tatsächlich im Verkehr sein. Schließlich geht es um Fahrzeuge, die bereits als Youngtimer bezeichnet werden dürfen, also älter als 20 Jahre sind. Neben den beiden deutschen Herstellern nennt das Behördendokument auch Honda, Toyota und Mitsubishi als Abnehmer dieser Bauteile. Genaue Modellangaben lagen für die japanischen Fabrikate aber noch nicht vor.

Kummer gewohnt

Alle genannten Hersteller sind Kummer mit den Airbags gewohnt. Gemeinsam mit vielen anderen zählten sie zu den Kunden des inzwischen bankrotten japanischen Zulieferers. Die größte Rückrufaktion aller Zeiten umfasste bislang etwa 100 Millionen Airbags. Laut Medienberichten starben seit Bekanntwerden des Skandals weltweit 24 Menschen an den Folgen eines explodierten Gasgenerators.

Nachtrag 9.12.:

Die BMW-Maßnahme findet offenbar unter drei verschiedenen internen Codes statt. Sie lauten „0032960200“, „0032970200“ und „0032980200“. Betroffen sind demnach drei Lenkradvarianten im E46 (Limousine, Touring und Coupé) mit Ausnahme des M3.

Nachtrag 11.2.2020:

Inzwischen listet das KBA unter den drei Aktionscodes auch das Alpina-Modell B3. Weltweit müssen laut Behörde 587 Einheiten des Produktionszeitraumes 3. Juni 1997 bis 30. Juni 2000 an die Box, davon 226 in Deutschland.

Nachtrag 3.6.2020:

Der Rückruf im VW-Konzern ist nun auch in Deutschland offiziell.

Nachtrag 23.7.2021:

Seit gestern führt das KBA in seiner Datenbank den NADI-Rückruf „R30399“ für den Mitsubishi Colt, Lancer, L400, Pajero und Space Runner der Baujahre 1996 bis 2000. Die von der Behörde genannten Stückzahlen orientieren sich an den damaligen Verkaufszahlen. Tatsächlich sind laut einem Sprecher der deutschen Niederlassung nur noch etwa 5.000 Einheiten hierzulande unterwegs. Fragen hierzu können Kunden an die Hotline unter 0800/2121888 stellen.

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2 Kommentare

  1. Habe auch einen Brief von Audi bekommen für meinen 98er A6 – Dauer zur Entwicklung einer technischen Lösung: mindestens 12 Monate – bis dahin wird lapidar aufs Anschnallen verwiesen.
    Vermutlich wird hier auf Zeit gespielt in der Hoffnung, dass bis dahin noch mehr Fahrzeuge abgemeldet wurden. Zumal das Problem schon weit länger bekannt ist. Unglaublich bei einem solch sicherheitsrelevanten Teil den Hersteller so agieren zu lassen – da hat die Autolobby ganze Arbeit geleistet…..

    • Wir haben einen sehr gepflegten Audi TT 8N. Dieser zeigt den gleichen Fehler auf. Auch wir haben das Audi Schreiben mit dem Hinweis auf „sorgfältiges Anschnallen“ bekommen. Für uns stellt sich jetzt die Frage was bei einem Unfall mit Personenschaden ohne, oder mit teilweise geöffneten Airbag geschieht. Gehen wir besten Falls davon aus, dass wir den Unfall überleben, wer kommt für den Personenschaden auf? Was sagt die Versicherung dazu, wenn wir das Schreiben einfach ignorieren?
      Ich denke, dass es sinnvoll ist, sich vertragsrechtlich beraten zu lassen, damit es zu den angesprochenen Problemen gar nicht kommt.
      Schade, dass ein Premiumautomobilhersteller so handelt!

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