Die EU-Kommission sieht großes Potenzial in autonomen Fahrzeugen. Mit 23 Prozent der weltweiten Kraftfahrzeugproduktion und einem Straßenanteil am Binnengüterverkehr von 72 Prozent in Europa werde nicht nur die Automobilindustrie von den anstehenden Fortschritten profitieren, sondern die gesamte europäische Wirtschaft. Man erwarte einen „Spill-over-Effekt“ auf zahlreiche andere Sektoren, wie z.B. die Halbleiterindustrie oder die Anbieter digitaler Karten, heißt es in einem vergangene Woche veröffentlichten Strategiepapier zur europäischen Mobilität der Zukunft.
Bestimmte Sektoren könnten allerdings auch negativ beeinflusst werden, warnt die Kommission. Als konkrete Beispiele nennt sie das Versicherungswesen sowie die Wartungs- und Reparaturbranche. Auch die Fahrzeughersteller erzielen nach wie vor einen hohen Prozentsatz ihrer Erlöse im Aftersales-Geschäft und müssten daher zunächst Einbußen verkraften. Da könnte die Versuchung groß sein, potenzielle neue Umsatzbringer protektionistisch zu behandeln.
Begehrter Datenschatz
Zu den heiß begehrten Schätzen der Zukunft zählen die Daten. Daher ist dem Zugang zu diesen Informationen ein Abschnitt im Strategiepapier gewidmet. „Automatisierte und vernetzte Fahrzeuge werden eine große Menge von Daten erzeugen, die über Kommunikationsgeräte weitergegeben werden können. Diese Daten haben ein enormes Potenzial, neue und personalisierte Dienstleistungen und Produkte hervorzubringen“, weiß man auch in Brüssel.
Die Ausführungen zum Thema Datenzugang werden von den Interessenvertretern des so genannten „Independent Aftermarket“, also den herstellerunabhängigen Branchenbeteiligten wie beispielsweise der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA), traditionell genau gelesen. Aus der Vergangenheit wissen die Mitglieder nämlich, dass die Wahrung ihrer Marktanteile nur durch hartnäckige Lobbyarbeit in den EU-Gremien möglich ist.
Unterschiedlicher Handlungsbedarf
Der GVA reagierte in einem schriftlichen Kommentar am Mittwoch zurückhaltend auf die Ausführungen im Strategiepapier. „Die Kommission bleibt deutlich hinter dem zurück, was erforderlich wäre, um echten Wettbewerb um die Gunst der Verbraucher bei mobilitätsbezogenen digitalen Diensten und Produkten zu gewährleisten“, kritisierte Verbandspräsident Hartmut Röhl.
Zwar sei den Wettbewerbshütern bewusst, dass die Fahrzeughersteller eine privilegierte Stellung beim Datenzugang hätten, heißt es in der GVA-Mitteilung. Der Verband vermisst aber „einen klaren legislativen Fahrplan für faire Wettbewerbsbedingungen in Europa“. Dieser sei auch vom EU-Parlament für dieses Jahr angemahnt worden. Die Brüsseler Kommissare sehen den Handlungsbedarf dagegen offenbar nicht so dringend. Rechtsvorschriften speziell zum fairen Zugang unabhängiger Reparaturbetriebe zu Reparatur- und Wartungsinformationen lägen bereits vor. Die Diskussionen zu diesem Thema sind also längst noch nicht beendet.
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