Bananengelbes Haus

Die Wahl in den USA liefert unabhängig vom Ausgang eine unbequeme Wahrheit. Vielen dort sind demokratische Prozesse zu anstrengend geworden, insbesondere wenn sie nicht das gewünschte Ergebnis liefern. Ein Trend, der auch bei uns droht!

das weiße haus washington dc wahrzeichen
Bild: Pixabay / David Mark

Bei Reisen in die USA gibt es für mich immer feste Programmpunkte: dazu zählt mindestens ein Stop in einem Kleiderladen der Marke „Banana Republic“, einem Ableger der auch bei uns bekannten GAP-Stores. Dort finde ich schnell Klamotten nach meinem Gusto. Zudem hatte es bislang eine gewisse Komik, ausgerechnet aus der Heimat der ältesten Demokratie der Welt Textilien mit diesem Label nach Hause zu bringen.

Nun räumt sogar Donald Trumps Sohn ein, dass sein Land wie eine Bananenrepublik aussieht. Zur Imagekorrektur empfiehlt er aber nicht die ordnungsgemäße Auszählung aller Stimmen der Präsidentenwahl. Er propagiert lieber den „totalen Krieg“ um den nicht vorhandenen Wahlsieg seines Vaters. Klingt nach einer Adaption der berühmten Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels in die digitale Twitter-Welt.

Bei einer erfolgreichen Durchführung dieses Unterfangens dürfte aus dem Weißen vielleicht kein Braunes Haus werden – wohl aber endgültig ein bananengelbes. Denn wir müssen uns eingestehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der amerikanischen Bevölkerung die Etablierung einer Günstlingswirtschaft in ihrem Land bestenfalls mit einem Schulterzucken quittieren würde. Dies gilt zumindest so lange, wie der eigene Kühl- und vor allem der Waffenschrank üppig gefüllt sind. Ohne Corona hätte Donald Trump im Gegensatz zu 2016 diesmal wohl sogar tatsächlich die Mehrheit aller Stimmen erhalten.

Wir sprechen hier aber nicht von einem exklusiven Phänomen der überhaupt nicht mehr Vereinigten Staaten (bei uns lässt sich „Waffenschrank“ durch „Garage“ ersetzen). Dort ist die sozial-medialisierte Gesellschaft nur schon besonders stark ausgeprägt. Ausgerechnet jene Werkzeuge, die einst für maximale Meinungsfreiheit sorgen sollten, sind aufgrund ihrer gnadenlosen kommerziellen Ausrichtung nun aber ein Hauptgrund für die massive Gefährdung pluralistischer Strukturen.

Freiwillige Feuerwehr muss Brücken über gesellschaftliche Gräben bauen

Wem tagtäglich auf Facebook dank spezieller Algorithmen vorgegaukelt wird, dass seine Weltsicht mehrere Millionen von Anhängern hat, der möchte nicht glauben, dass es in der realen Welt vielleicht sogar noch mehr Andersdenkende gibt. Demokratie und die damit verbundene langwierige, aber eben auch notwendige Entscheidungsfindung ist vielen schlichtweg zu anstrengend geworden.

Ich kann mich also nur der Forderung meines „Magistervaters“ Stephan Bierling anschließen, der die US-Wahl zuletzt auf vielen Kanälen medial begleitet hat. Er rät seinen Studenten immer wieder, sich in Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr zu engagieren. Zitat: „Das weltweit einmalige Vereinswesen in Deutschland hat eine enorme systemstabilisierende Wirkung.“ Denn oft gilt nur noch dort das Motto: E pluribus unum.

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