Dass moderne Fahrzeuge rollende Computer sind, wissen wir im Sinne der Verkehrssicherheit zu schätzen. Nicht umsonst hat die Europäische Kommission die „E-Safety“-Kampagne ins Leben gerufen. Ab dem zweiten Quartal des kommenden Jahres muss jedes in der EU verkaufte Neufahrzeug über den „E-Call“-Knopf im Fahrzeug verfügen. Damit können Insassen im Fall der Fälle bequem Hilfe holen. Nach einem schweren Unfall kann das System auch selbstständig Rettungskräfte alarmieren und die Standortdaten weitergeben. Die Zahl der Verkehrstoten soll damit deutlich sinken.
Moderne Fahrzeuge können aber selbstverständlich nicht nur Notfalldaten übermitteln, sondern nahezu alle während der Fahrt erfassten Informationen. Dahinter stehen handfeste Geschäftsinteressen. Wie kostbar Daten inzwischen geworden sind, lässt sich seit einigen Jahren eindrucksvoll an der Börse verfolgen. Von den sechs wertvollsten Unternehmen dieses Planeten sind inzwischen fünf ausgewiesene „Datensammler“, allen voran Alphabet (Google, Platz 2), Amazon (Platz 4) und Facebook (Platz 6).
„Ein umfassendes Eigentum an Daten, wie wir es vom Sacheigentum beispielsweise am Kfz kennen, gibt es derzeit nicht. […] In der Regel entscheidet über die Datennutzung allein die faktische Zugriffsmöglichkeit“, heißt es in einer im Sommer vorgestellten Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums. Bedeutet im Fall des Kfz also: Die Autobauer haben die Verfügungsgewalt – und möchten diese auch gerne behalten.
„Recht des Stärkeren“
In der vergangenen Woche endete eine Frist zur Stellungnahme zu dieser Studie. Der Bundesverband der Verbraucherschutzorganisationen (VZBV) kritisierte, dass Allgemeinwohlbelange in dem Papier zu kurz kämen. Bei einer Normierung von Verfügungsrechten über Daten müsse es jedoch umfassend Berücksichtigung finden. „Es muss verhindert werden, dass sich das ‚Recht des Stärkeren‘ und das ‚Recht des Schnelleren‘ durchsetzt“, zitierte der Verband Prof. Indra Spiecker. Sie ist Leiterin der Forschungsstelle Datenschutz an der Uni Frankfurt.
Auch der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) pocht auf die Entscheidungshoheit des Verbrauchers über die Mobilitätsdaten. „Hierzu ist es erforderlich, dass EU-rechtlich eine für alle Dienstleister offene […] Datenschnittstelle im Fahrzeug vorgeschrieben wird.“ Konzepte, bei denen die Daten über eine herstellereigene Serverstruktur geleitet werden, erfüllten die Anforderungen an eine Gleichstellung aller Wettbewerber nicht, betonte der Verband.
Echte oder vorgeschobene Sorge?
Diese Server-Lösungen sind der Wunsch der Autobauer. Um Risiken für den Kunden und die öffentliche Sicherheit zu vermeiden, dürfe kein direkter Zugriff auf das Fahrzeug durch Dritte zugelassen werden, heißt es in einem Ende Oktober veröffentlichten Positionspapier des Branchenverbandes VDA. Darin unterscheiden die Autobauer zwischen Daten, welche für die Verkehrssicherheit relevant sind, aber auch zwischen Daten für markenspezifische und markenübergreifende Services.
Diese Unterscheidung dürfte den GVA misstrauisch machen. Die Interessenvertretung der Autoteilehersteller und –händler beäugt schon längere Zeit kritisch die Entwicklungen bei den Telematikdaten
Die Verbandsvertreter sind gebrannte Kinder, denn schon bei den Themen Garantie/Gewährleistung und Designschutz mussten sie miterleben, dass die vermeintliche Sorge um das Kundenwohl eher der Besitzstandswahrung diente. Auch der VZBV tritt dem Eindruck entgegen, dass Datenschutz und Innovation Gegensätze sind. „Datenschutz muss als ein Baustein in der Wertschöpfungskette digitaler Geschäftsmodelle verstanden werden“, fordern die Verbraucherschützer. Gemeint sind alle Beteiligten – insbesondere die Kunden. Die würden ein Herstellermonopol beim Datenzugriff deutlich in ihrem Geldbeutel zu spüren bekommen.
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