Ende Legende

Der BGH hat ein Machtwort zum Abgasskandal gesprochen. Es ist eine schallende Ohrfeige nicht nur für VW, sondern die ganze Autoindustrie und ihr nahe stehende "Volksvertreter".

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Bild: Pixabay / Ramdlon

Vergangen Woche hat der Bundesgerichtshof seine Sicht der Dinge auf den VW-Abgasskandal bereits angedeutet. Nun liegt die ausführliche Begründung aus Karlsruhe zum Beschluss vor. Viel ist über die Motive der Veröffentlichung des 19-seitigen Dokuments spekuliert worden. Einer der Gründe dürfte sicherlich die Verärgerung über die Verzögerungstaktik des VW-Konzerns gewesen sein. Die Wolfsburger haben immer wieder durch Vergleiche mit den Klägern ein Urteil verhindert. Damit signalisierten sie auch selbst, dass sie wenig Hoffnung hatten, mit ihren Argumenten vor dem höchsten Zivilgericht erfolgreich zu sein.

Die Beendigung der vielen Mythen, die sich inzwischen um Dieselgate ranken, ist aber meines Erachtens der Hauptantrieb dafür gewesen, dass der BGH seine Sicht der Dinge nun umfassend zu Papier gebracht hat. Eine Legende lautete bislang immer, dass es genügt, wenn ein Fahrzeug auf dem Prüfstand die Grenzwerte einhält. Diese Behauptung kann nun endgültig zu den Akten gelegt werden. Auch der BGH betont, dass ein Fahrzeug „unter normalen Betriebsbedingungen“ – also auf der Straße – die Vorgaben erfüllen muss. Er schließt sich damit der bereits im VW-Untersuchungsausschuss geäußerten Rechtsmeinung an, dass die in der EU-Richtlinie genannten Ausnahmen für Abschalteinrichtungen sehr eng auszulegen sind.

Jedes Fahrzeug, das dauerhaft ein Vielfaches des Erlaubten ausstößt, bei dem also die Ausnahme zur Regel wird, dürfte künftig vor den Richtern wenig Gnade finden. Das gilt zumindest dann, wenn eine solche Motorsteuerung den Eindruck erweckt „unerkannt auf das Emissionsprüfverfahren einzuwirken“, so der BGH. Diese Aussage ist eine schallende Ohrfeige für jeden Politiker, der den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses abgenickt hat. Denn dieser hat sich explizit der industrienahen und verbraucherfeindlichen Position angeschlossen. Für einen so genannten Volksvertreter ist dies unwürdig.

Das gilt insbesondere für den Verkehrsminister. Immer wieder hat er sich in der Vergangenheit als Siegelbewahrer der Autobauer hervorgetan, zuletzt im vergangenen November, als es um die Frage der zwangsweisen Hardwarenachrüstung ging. Motiv ist die falsch verstandene Fürsorgepflicht für die Arbeitsplätze. Doch es ist nicht Aufgabe der Politik, einzelne Konzerne zu schützen und seien sie auch noch so groß. Ein „too big to fail“ darf es nicht geben, denn das zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat und gefährdet damit die Demokratie. Gut, dass zumindest Deutschlands oberste Richterinnen und Richter dies nach wie vor beherzigen.

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